Donnerstag, 18. April 2013

Risikogesellschaft 1

Die Risikogesellschaft - Teil 1

Dies ist eine kurze Zusammenfassung des ersten Teils von dem Buch "Risikogesellschaft- Auf dem Weg in eine andere Moderne". Autor ist der Soziologe Ulrich Beck. Die Riskogesellschaft erschien 1986 und gehört zu den bestverkauften Werken der Soziologie. An manchen Aspekten nagte mittlerweile der Zahn der Zeit, aber allgemein ist Beck´s Hauptwerk auch in der heutigen Zeit von einiger Wichtigkeit.
Dafür, dass ich hier und da vom Text abschweifen und meinen eigenen Gedanken folgen werde, entschuldige ich mich im voraus.


Nach Beck gibt es in Deutschland und den anderen Industrienationen einen Paradigmenwechsel von der Mangel- zur Riskogesellschaft.
In Industriegesellschaften, die Anfangs Mangelgesellschaften waren, gilt das Paradigma der Reichtumsverteilung.
Dem steht das Paradigma der Risikoverteilung in der Risikogesellschaft gegenüber.
Es gibt Mangel, der Bedürfnisse schafft. Diese müssen befriedigt werden, weshalb Produkte geschaffen werden. Industrie und Technologie entwickelt sich weiter.
Wenn die Mängel zwar nicht vollends verschwunden sind, aber soweit eingeschränkt wurden, dass in der Gesellschaft genug Zeit übrig bleibt, um über anderes als Produktion nachzudenken, stellt sich ein Bewusstseinswandel auf breiter Basis ein.
Die moderne Gesellschaft produziert mit ihren Gütern auch immer Risiken vielfältiger Form, etwa neue soziale Ungleichheiten, aber vor allem Belastungen für die Umwelt durch Verbreitung von Schadstoffen, die nicht nur Natur und Tieren schaden, sondern auch dem Endkonsumenten Mensch.

Das Paradigma der Risikogesellschaft behandelt, wie Risken wegverteilt, verharmlost, verhindert, dramatisiert oder kanalisiert werden. Das dahinterliegende Ziel ist, den Modernisierungsprozess nicht zu behindern.

Die Modernisierung wird reflexiv. Das heisst, dass man nicht mehr unreflexiv das Wachstum ankurbelt, sondern beginnt zu hinterfragen, welche möglichen Gefahren dieser Prozess generiert. Skeptizismus stellt sich ein.
Die rauchenden Schlote einer Fabrik sind nicht mehr wie zuvor nur das Symbol für eine funktionierende Wirtschaft und der Bereitstellung von Arbeitsplätzen, sondern auch Ausgang für Schadstoffe, die mit dem Regen wieder auf die Erde treffen, ins Grundwasser sickern, von Menschen aufgenommen werden.
Dass man die Schlote dann möglichst hoch baut, damit die Schadstoffe nicht auf die Stadt in der direkten Umgebung niedergehen, ist höchstens eine kurzfristige Lösung des Problems.
Letztlich ist jeder von Risiken betroffen, und auch die Produzenten der Risiken werden letztlich von ihnen eingeholt. Das nennt Beck den Bumerang-Effekt. Dieser Bumerang-Effekt sprengt, da Risiko schichtenunabhängig jeden betrifft, das Klassenschema.

In der sogenannten Dritten Welt herrscht nach wie vor allein das Paradigma der Reichtumsverteilung. Die offensichtliche materielle Not der Bevölkerung wird als Rechtfertigung von mangelhaften Schutzvorkehrungen etwa der Arbeiterschaft benutzt.
Die Abwasser einer Fabrik können da ins Grundwasser fließen, was toleriert wird, wo diese Fabrik doch wichtige Arbeitsplätze verschafft. Arbeitsplätze, die zum Überleben wichtiger sind als sauberes Leitungswasser. Die Verschmutzung und Belastung der Gesundheit wird als notwendiges Opfer gesehen, um den im vergleich wichtigeren Lohn des Wachstums zu genießen.
Die Bevölkerung ist in weiten Kreisen nicht über die sie umgebenden Risiken aufgeklärt. So ist es ein alltäglicher Anblick, in 3.Welt-Ländern Bauern zu sehen, die ohne Schutzkleidung oder Atemmaske literweise giftigen Dünger per Hand über ihre Felder versprühen.

Deutschland heute steht zwischen beiden Gesellschaften, obwohl es viel mehr Risikogesellschaft als Mangelgesellschaft ist.
Das kann man sagen, da es immer noch Mangel in Deutschland gibt, und in gewisser Weise wohl auch immer geben wird. Dabei ist jedoch die Qualität des Mangels von Bedeutung, die sich klar von der in einem Dritte-Welt-Land unterscheidet.
So gibt es in Deutschland keine absolute Armut mehr, die das physische Überleben unmöglich macht.
Als Obdachloser lebt es sich nicht leicht, aber zumindest kann man davon ausgehen, dass man als solcher nicht verhungern wird oder es keinerlei Möglichkeit gibt, zumindest kurzfristig ein Dach über dem Kopf zu finden, sofern das überhaupt angestrebt wird (wer lange auf der Straße lebt, entscheidet sich häufig gegen ein langfristiges Obdach, da dieses als beengend empfunden wird).

Dann unterscheidet sich der neue Riskobegriff vom alten. Risko hat es auch früher gegeben. Dieses war allerdings wahrnehmbar. Etwa der Gestank in Städten, die keine funktionierende Kanalisation hatten.
Ebenso lag das Risiko der Armut auf der Hand, oder, weniger weit zurückliegend und immer noch gültig, das Qualifikationsrisiko, nicht die richtige Ausbildung/Schulbildung zu genießen und danach als Arbeitsloser zu enden.
Die neuen Risiken entziehen sich der unmittelbaren Wahrnehmung. Schadstoffe in der Luft sind unsichtbar. Diese Risken stellen sich nur im Wissen um sie her. Wovon man zuvor nicht wusste, existierte in der eigenen, wahrgenommenen Welt auch nicht. In diesem Sinne geht man in der Riskogesellschaft konstruktivistisch vor.
Existent werden Risiken nur, wenn sie die Diskurslandschaft betreten. Worüber man nicht spricht, existiert nicht. Ebenso kann das Risko nur im Diskurs verändert werden.
In der Riskodefinition spielen die Medien eine Schlüsselrolle.
Im Sinne des investigativen Journalismus werden Skandale der Riskoproduktion aufgedeckt, zumindest idealerweise.
Im Diskurs um Risiken teilen Vertreter der Medien das Feld mit Produzenten, die Experten anheuern, um die Aussagen von Gegenexperten zu entkräften, deren Behauptungen, wenn sie sich als wahr herausstellen, zu einem Schrumpfen oder Umstellen der Produktion führen müssten. Als Akteur ist natürlich auch die Öffentlichkeit zu nennen, deren Meinung das politische und wirtschaftliche Handeln beeinflusst.

Das Problem an etwas, was man nicht wahrnehmen kann, ist, dass man niemals sicher wissen kann, welche Aussagen darüber wahr oder falsch sind. Ein anderer Aspekt von der neuen Art von Risiken ist, dass sie übernational gelten und somit global jeden betreffen. Viel Aufsehen und anschließende politische und wirtschaftliche Maßnahmen zog die Feststellung des Klimawandels und der darauf aufbauenden, für viele besorgnisserregenden Prognosen für die Umwelt, auf sich.
Aber für jene Experten, die sich für eine Reduzierung der CO2-Ausstöße einsetzen, kommen auch Gegenstimmen anderer wissenschaftlicher Experten, die die Umstände verharmlosen und meinen, dass alles nicht so schlimm sei. Es gibt auch von CO2-produzierenden Industrien angestellte PR-Männer, die aktiv gegen die "Panikmache" des angeblich so schlimmen Klimawandels vorgehen.

Es herrscht also ein fortdauernder Kampf um Meinungen, geführt mit dem Instrument der Sprache.
Wer erscheint am glaubwürdigsten? Wer hat die besseren Argumente, die zuverlässigeren Daten?
Dabei gibt es viel Unklarheit. Allgemein herrscht in der modernen Welt ein hohes Vertrauen in wissenschaftlichem Vorgehen. Aber wie wahrheitshaltig kann diese Wissenschaftlichkeit letztlich sein?
Eine beliebige Statistik etwa, mit wissenschaftlichen Methoden erhoben, erklärt sich niemals selbst, sondern kann, je nach Kontext, so oder so interpretiert werden und somit unterschiedliche Aussagen repräsentieren.
Eine andere Gefahr ist, nicht zu wissen, wie Erhebungen überhaupt zustande kamen, welche Methode ihnen zugrunde liegt.
In der Ermessung globaler Armut etwa wird festgestellt, dass weniger Menschen als ein paar Jahre zuvor unter Armut leiden. Die anhängende Interpretation ist, dass unterm Strich alles immer besser wird .
Was zu hinterfragen ist, wo die Grenze zu Armut gezogen wird. An der Kategorisierung zu schrauben bedeutet in dem Fall, Ergebnisse zu beschönigen, indem man die Messlatte, ab wann man global als arm zu gelten hat, niedriger setzt.
Ein anderes Beispiel für die Problematik von zuverlässiger Aussagekraft für große Datenerhebungen ist das BIP, welches wirtschaftliches Wachstum messen soll. In letzer Zeit stand es in der Kritik, nur unzureichende Kategorien einzubinden. Es gibt Vorschläge, zum Messen von Lebensqualität in einem Land nicht nur dessen wirtschaftliches Wachstum zu berücksichtigen, sondern auch Kategorien wie den Stand der Bildung oder Nachhaltigkeit hinzuzuziehen.
Also kann man sich kaum nach Wahrheiten richten, sondern sich nur für Wahrscheinlichkeiten entscheiden.
Wichtig ist, sich immer zu fragen, welches Interesse die Überbringer von Informationen verfolgen, wie sie bei dem Sammeln von Wissen vorgingen, was die Quellen sind, oder für wen sie arbeiten.

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