5.Der unaufhebbare Widerspruch
5.1.: In a Nutshell
In diesem Teil
kommt der geschichtliche Rückblick zum Ende. Die Widersprüchlichkeit
in Kants Denkmodell wird klar und leitet die "Linguistic Turn"
ein- von da an sind alle philosophischen Probleme sprachliche
Probleme. Drei Lösungsmodelle wurden entworfen, um dem
entgegenzustehen:
1. Die
analytische Sprachphilosophie
2. Die
Hermeneutik
und
3. Der
Poststrukturalismus,
welcher im
Gegensatz zu den beiden anderen Modellen keine Lösung mehr
anzustreben versucht, da man nie aus dem infinitiven, dem endlosen Prozess des
Erkennens ausbrechen kann: Eine Meta-Sprache, die die Sprache
beschreibt, hat wiederum ihre Meta-Meta-Sprache und so weiter.
Das kann man
entweder negativ als Werterelativismus, oder aber positiv als
Hyperaufklärung bezeichnen.
5.2.: Herder versus Kant
Am Anfang
stellte sich Kant auch die Frage, wie man Moral erklären kann. Bevor
er darauf antworten kann, erkannte er, muss er aber erst ausmachen,
was die Erkenntnislogik eines Menschen ausmacht.
Durch Kant kam es zur Aufklärung. Kant schloss in seiner "Kritik
der reinen Vernunft" dass es zwar das "Ding an sich",
also die objektive Realität/Wahrheit gibt, der Mensch es aber nicht
in seiner reinen Form sieht, sondern nur in der Wahr-nehmung
abbildet. Dazu bedient er sich der Vernunft, die mit dem "Ding
an sich" irgendwie verbunden ist. Wir bekommen also dem Ding an
sich umso näher, je besser wir uns der uns innewohnenden Vernunft
bedienen. Die Vernunft ist a priori, alles , was wir in der Welt
erfahren, a posteriori.
Diese Vernunft ist universell, potentiell bei jedem Menschen
gleichsam vorhanden- nur der Grad der Nutzung variiert. Das eröffnet
die praktische Möglichkeit, dass alle Menschen miteinander auskommen
können und alle Widrigkeiten untereinander beilegen können, wenn
sie nur vernünftig darüber kommunizieren.
Und dann kam Herder und kritisierte, dass sich die Vernunft selbst
gegenüber nicht transparent sein kann :
Kant schrieb die "Kritik" in der Sprache, die er gelernt
hat. Diese Sprache musste er wie jeder erst als Kind lernen. Die
Sprache ist weltlich. Sprechen ist Erfahrungssache.
Findig pointiert Herder, dass Kant mit seiner irdischen Sprache etwas
überirdisches beschreibt. Die Vernunft ist rein weil universell,
immer gültig, unveränderbar vor aller Erfahrung. Die Sprache ist
dynamisch, unrein, wandelbar, nach der Erfahrung, weltlich.
Wie kann man die Vernunft mit der Sprache beschreiben?
Wie kann man sicher sein, dass dieses so vielen Beliebigkeiten
ausgesetzte Instrument dazu geeignet ist, das Prinzip der Vernunft zu
repräsentieren?
Die Vernunft ersetzt Gott als höchstes Prinzip. Sie muss sich prüfen
lassen können, ansonsten landet sie, genau wie Gott, in der
Schublade der Unbeweisbarkeit/Unwiderlegbarkeit als reine
Glaubensfrage.
Dabei kann sich die Vernunft jedoch nur ihrer eigenen Instrumente
bedienen, um sich zu prüfen. Ich kann formale Logik innerhalb der
formalen Logik anwenden, aber nicht außerhalb. Innerhalb eines
geschlossenen Systems habe ich kein Problem, das System zu beweisen.
Wenn es jedoch wirklich geprüft werden soll, muss es von aussen
geprüft werden. Außerhalb der Logik kann ich die Logik nicht
beweisen. In der "echten" Welt hat die Logik keine
Entsprechung. Der Formalismus endet im Leerlauf.
Das wird als "linguistic turn" bezeichnet, die Wende, von
der an die Sprache als vermeintliches Instrument, die Vernunft
darzustellen oder eben nicht darstellen zu können, im Fokus der
Aufmerksamkeit aller Grübler steht.
(Persönlicher Kommentar: Das ist eigentlich das Ende der
herkömmlichen Philosophie als reine Disziplin- ihr ist nur der
Bereich der Logik geblieben, der für sich genommen nicht viel mehr
ist als das, was er für sich genommen ist. Stattdessen treibt sich
Philosophie immer als Teildisziplin in allen anderen Disziplinen
herum um sich ein bisschen einzumischen. Oder degradiert sich zu
Alltagsphilosophie, um neben
5.3.: Drei Wege
Es bleibt nichts als Unbehagen. Auf einmal ist nichts mehr klar.
Dabei sah in der Aufklärung für kurze Zeit alles so schön aus, das
Happy End schien nah; wenn man die Vernunft unumstößlich beweisen
könnte, könnte man von da aus ein für jeden gültige Moral
konzipieren und in Riesenschritten der immer vernünftigeren, sich
immer mehr dem Ding an sich annähernden Weltgemeinschaft zugehen.
Aber so ist es erstmal unmöglich, unumstößlich gültiges über
Moral zu sagen. Denn dazu ist die Vernunft nötig. Und wie wir
gesehen haben, muss man sich der Sprache bedienen, um die Vernunft zu
erklären.
Aus dieser Beschäftigung mit der Sprache entstanden drei
Denkrichtungen:
- Die analytische Sprachphilosophie des angelsächsichen Raumes, die
Anwendungsorientiert ist.
Okay, ich will nicht viel über etwas schreiben, wovon ich ehrlich
gesagt so gut wie nichts weiß, darum lasse ich es bleiben. Wichtig
ist hierbei nur, dass Anhänger dieser Richtung nicht verzweifeln,
sondern der Ansicht sind, mit Common Sense alle Probleme lösen zu
können- man ist anwendungsorientiert.
- Die Hermeneutik aus deutscher Richtung, welche das System hinter
der Sprache zu deuten versucht. Eine hermeneutische Sichtweise ist
also, dass sich in jedem Abbild die dahinterliegende Struktur
abzeichnet: Das Universum im Sandkorn sozusagen. Die Sprache mag also
oberflächlich unsauber sein, jedoch bildet sich in ihr die ihr
zugrundeliegende Wahrheit ab. Es lohnt sich also, die Sprache zu
sezieren, in ihre kleinsten Teile zu zerlegen um zu sehen, wie sie
beschaffen ist.
- Der Poststrukturalismus, der da alle Strukturen zereisst, und die
Suche nach endgültigen Wahrheiten endgültig aufgibt, da er sie als
endgültig sinnlos entmystifiziert.
5.4.: Landung
auf Planet Poststrukturalismus
Diese Denkrichtung hat keine programmatische Bibel, mit der man
anderer Leute Köpfe einschlagen kann. Darum kann man dem
PS Schwammigkeit vorwerfen.
Er sagt aber weniger, wie die Welt ist, als, wie sie nicht ist. Sie
ist nämlich niemals nur so, sondern kann auch ganz anders sein.
Also nochmal zusammengefasst:
Es wird unklar, ob ich die Sprache spreche, oder die Sprache mich
spricht. Ich kann nur in der Weise denken, wie es der Rahmen der
Sprache erlaubt, mit der ich aufgewachsen bin. Spräche ich eine
andere Sprache, würde ich auch anders denken. Die Sprache ist das
Produkt einer Kultur, und es gibt viele unterschiedliche Kulturen,
Sichtweisen, Sprachen. Das ich mit etwas, was von außen kam, etwas
beschreiben soll, was theoretisch schon immer innerlich war, stellt
einen vor einen unauflösbaren Widerspruch.
Der PS lehnt im Gegensatz etwa zur Hermeneutik ab,
Sinn hinter dem System zu vermuten, da hinter diesem Sinn ein
weiterer Sinn stehen müsste, und immer so weiter.
So wie Atome in der Physik die kleinsten Teile der Dinge darstellen,
gibt es kleinste Teile von Sinn in der Sprache. Außerhalb der Welt
gibt es keine Welt, und die ganze Welt ist Text. In der Konsequenz
ist kein Text mehr davor sicher, von Linguisten untersucht zu werden.
Ein Gedicht kann auf dieser Grundlage linguistisch genauso seziert
werden wie Heideggers "Sein und Zeit" .
Im poststrukturalistischen Denken macht dieses Sinnsuche jedoch
keinen Sinn mehr.
Diese Denkweise gibt das geistige Werkzeug her, gängige Denkweisen
zu hinterfragen. Unsere abendländische Philosophie ist nur eine Art
der Weltanschauung. Sie hat den Stein der Weisen nicht in der Hand,
sondern ist nur eine Möglichkeit.
Hier funktioniert PS als Hyperaufklärung, Aufklärung nach der Aufklärung, welche die Grenzen der Aufklärung aufweist, auf den verfügbaren Spielraum verweist und Vorschläge gibt, nach welchen Regeln man innerhalb dieses Raumes mit anderen spielen kann.
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