Dienstag, 26. März 2013

Poststrukturalismus 3




5.Der unaufhebbare Widerspruch

5.1.: In a Nutshell
In diesem Teil kommt der geschichtliche Rückblick zum Ende. Die Widersprüchlichkeit in Kants Denkmodell wird klar und leitet die "Linguistic Turn" ein- von da an sind alle philosophischen Probleme sprachliche Probleme. Drei Lösungsmodelle wurden entworfen, um dem entgegenzustehen:
1. Die analytische Sprachphilosophie
2. Die Hermeneutik
und
3. Der Poststrukturalismus,
welcher im Gegensatz zu den beiden anderen Modellen keine Lösung mehr anzustreben versucht, da man nie aus dem infinitiven, dem endlosen Prozess des Erkennens ausbrechen kann: Eine Meta-Sprache, die die Sprache beschreibt, hat wiederum ihre Meta-Meta-Sprache und so weiter.
Das kann man entweder negativ  als Werterelativismus, oder aber positiv als Hyperaufklärung bezeichnen.

5.2.: Herder versus Kant
Am Anfang stellte sich Kant auch die Frage, wie man Moral erklären kann. Bevor er darauf antworten kann, erkannte er, muss er aber erst ausmachen, was die Erkenntnislogik eines Menschen ausmacht.
Durch Kant kam es zur Aufklärung. Kant schloss in seiner "Kritik der reinen Vernunft" dass es zwar das "Ding an sich", also die objektive Realität/Wahrheit gibt, der Mensch es aber nicht in seiner reinen Form sieht, sondern nur in der Wahr-nehmung abbildet. Dazu bedient er sich der Vernunft, die mit dem "Ding an sich" irgendwie verbunden ist. Wir bekommen also dem Ding an sich umso näher, je besser wir uns der uns innewohnenden Vernunft bedienen. Die Vernunft ist a priori, alles , was wir in der Welt erfahren, a posteriori.
Diese Vernunft ist universell, potentiell bei jedem Menschen gleichsam vorhanden- nur der Grad der Nutzung variiert. Das eröffnet die praktische Möglichkeit, dass alle Menschen miteinander auskommen können und alle Widrigkeiten untereinander beilegen können, wenn sie nur vernünftig darüber kommunizieren.

Und dann kam Herder und kritisierte, dass sich die Vernunft selbst gegenüber nicht transparent sein kann :
Kant schrieb die "Kritik" in der Sprache, die er gelernt hat. Diese Sprache musste er wie jeder erst als Kind lernen. Die Sprache ist weltlich. Sprechen ist Erfahrungssache.
Findig pointiert Herder, dass Kant mit seiner irdischen Sprache etwas überirdisches beschreibt. Die Vernunft ist rein weil universell, immer gültig, unveränderbar vor aller Erfahrung. Die Sprache ist dynamisch, unrein, wandelbar, nach der Erfahrung, weltlich.

Wie kann man die Vernunft mit der Sprache beschreiben?
Wie kann man sicher sein, dass dieses so vielen Beliebigkeiten ausgesetzte Instrument dazu geeignet ist, das Prinzip der Vernunft zu repräsentieren?

Die Vernunft ersetzt Gott als höchstes Prinzip. Sie muss sich prüfen lassen können, ansonsten landet sie, genau wie Gott, in der Schublade der Unbeweisbarkeit/Unwiderlegbarkeit als reine Glaubensfrage.
Dabei kann sich die Vernunft jedoch nur ihrer eigenen Instrumente bedienen, um sich zu prüfen. Ich kann formale Logik innerhalb der formalen Logik anwenden, aber nicht außerhalb. Innerhalb eines geschlossenen Systems habe ich kein Problem, das System zu beweisen. Wenn es jedoch wirklich geprüft werden soll, muss es von aussen geprüft werden. Außerhalb der Logik kann ich die Logik nicht beweisen. In der "echten" Welt hat die Logik keine Entsprechung. Der Formalismus endet im Leerlauf.
Das wird als "linguistic turn" bezeichnet, die Wende, von der an die Sprache als vermeintliches Instrument, die Vernunft darzustellen oder eben nicht darstellen zu können, im Fokus der Aufmerksamkeit aller Grübler steht.

(Persönlicher Kommentar: Das ist eigentlich das Ende der herkömmlichen Philosophie als reine Disziplin- ihr ist nur der Bereich der Logik geblieben, der für sich genommen nicht viel mehr ist als das, was er für sich genommen ist. Stattdessen treibt sich Philosophie immer als Teildisziplin in allen anderen Disziplinen herum um sich ein bisschen einzumischen. Oder degradiert sich zu Alltagsphilosophie, um neben

5.3.: Drei Wege
Es bleibt nichts als Unbehagen. Auf einmal ist nichts mehr klar. Dabei sah in der Aufklärung für kurze Zeit alles so schön aus, das Happy End schien nah; wenn man die Vernunft unumstößlich beweisen könnte, könnte man von da aus ein für jeden gültige Moral konzipieren und in Riesenschritten der immer vernünftigeren, sich immer mehr dem Ding an sich annähernden Weltgemeinschaft zugehen.
Aber so ist es erstmal unmöglich, unumstößlich gültiges über Moral zu sagen. Denn dazu ist die Vernunft nötig. Und wie wir gesehen haben, muss man sich der Sprache bedienen, um die Vernunft zu erklären.
Aus dieser Beschäftigung mit der Sprache entstanden drei Denkrichtungen:

- Die analytische Sprachphilosophie des angelsächsichen Raumes, die Anwendungsorientiert ist.
Okay, ich will nicht viel über etwas schreiben, wovon ich ehrlich gesagt so gut wie nichts weiß, darum lasse ich es bleiben. Wichtig ist hierbei nur, dass Anhänger dieser Richtung nicht verzweifeln, sondern der Ansicht sind, mit Common Sense alle Probleme lösen zu können- man ist anwendungsorientiert.

- Die Hermeneutik aus deutscher Richtung, welche das System hinter der Sprache zu deuten versucht. Eine hermeneutische Sichtweise ist also, dass sich in jedem Abbild die dahinterliegende Struktur abzeichnet: Das Universum im Sandkorn sozusagen. Die Sprache mag also oberflächlich unsauber sein, jedoch bildet sich in ihr die ihr zugrundeliegende Wahrheit ab. Es lohnt sich also, die Sprache zu sezieren, in ihre kleinsten Teile zu zerlegen um zu sehen, wie sie beschaffen ist.

- Der Poststrukturalismus, der da alle Strukturen zereisst,  und die Suche nach endgültigen Wahrheiten endgültig aufgibt, da er sie als endgültig sinnlos entmystifiziert.

5.4.: Landung auf Planet Poststrukturalismus
Diese Denkrichtung hat keine programmatische Bibel, mit der man anderer Leute Köpfe einschlagen kann. Darum kann man dem PS Schwammigkeit vorwerfen.
Er sagt aber weniger, wie die Welt ist, als, wie sie nicht ist. Sie ist nämlich niemals nur so, sondern kann auch ganz anders sein.

Also nochmal zusammengefasst:
Es wird unklar, ob ich die Sprache spreche, oder die Sprache mich spricht. Ich kann nur in der Weise denken, wie es der Rahmen der Sprache erlaubt, mit der ich aufgewachsen bin. Spräche ich eine andere Sprache, würde ich auch anders denken. Die Sprache ist das Produkt einer Kultur, und es gibt viele unterschiedliche Kulturen, Sichtweisen, Sprachen. Das ich mit etwas, was von außen kam, etwas beschreiben soll, was theoretisch schon immer innerlich war, stellt einen vor einen unauflösbaren Widerspruch.
Der PS lehnt im Gegensatz etwa zur Hermeneutik ab, Sinn hinter dem System zu vermuten, da hinter diesem Sinn ein weiterer Sinn stehen müsste, und immer so weiter.

So wie Atome in der Physik die kleinsten Teile der Dinge darstellen, gibt es kleinste Teile von Sinn in der Sprache. Außerhalb der Welt gibt es keine Welt, und die ganze Welt ist Text. In der Konsequenz ist kein Text mehr davor sicher, von Linguisten untersucht zu werden. Ein Gedicht kann auf dieser Grundlage linguistisch genauso seziert werden wie Heideggers "Sein und Zeit" .

Im poststrukturalistischen Denken macht dieses Sinnsuche jedoch keinen Sinn mehr.
Diese Denkweise gibt das geistige Werkzeug her, gängige Denkweisen zu hinterfragen. Unsere abendländische Philosophie ist nur eine Art der Weltanschauung. Sie hat den Stein der Weisen nicht in der Hand, sondern ist nur eine Möglichkeit.
Hier funktioniert PS als Hyperaufklärung, Aufklärung nach der Aufklärung, welche die Grenzen der Aufklärung aufweist, auf den verfügbaren Spielraum verweist und Vorschläge gibt, nach welchen Regeln man innerhalb dieses Raumes mit anderen spielen kann.

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